Mein lieber Knackeboul,

In der Hoffnung, mein Brief erreicht Dich auf diesem Weg, schreibe ich Dir. Nein, das ist kein Bettelbrief irgendeiner fiktiven Person. Ok, fiktiv bin ich, aber ich will Dich um nichts bitten. Ich will Dich nur wissen lassen, dass es mich gibt, denn daran bist Du irgendwie „Schuld“ Auch wenn es wohl ohne Absicht passiert ist.

Mit Deinem unermüdlichen Einsatz gegen die Durchsetzungsinitiative hast Du mich beeindruckt. Du bist damals für deine Überzeugungen hin gestanden und hast Dein Gesicht gezeigt. Dafür hast Du einiges einstecken müssen. Mit Schrecken habe ich jeweils die Kommentare auf Facebook gelesen. Aber Du hast trotzdem weiter gemacht. Diesen Mut habe ich nicht. Deshalb habe ich mir für mein Privatleben ein Pseudonym zugelegt.

Im Juni habe ich beschlossen, mein Gesicht zu zeigen – für eine Sache, die mir am Herzen liegt. Du musst wissen: Ich bin Pflegehexe. Mein Pseudonym nennt es diplomierte Pflegefachfrau. Das ist meine Berufung. Und genauso wie Du als Künstler nicht ohne kreatives Schaffen sein kannst, kann ich nicht ohne das sein, was man Pflege nennt. Es ist schwierig zu beschreiben, was Pflege ist, weshalb ich es in diesem Brief lasse.

Es gibt da ein Problem, das sich in den vergangenen Jahren zugespitzt hat: Ich werde daran gehindert, das was ich liebe so zu tun, wie ich es gelernt habe und wie ich es von Herzen tun möchte. Es fühlt sich ungefähr so an: Stell Dir vor, Du darfst zwar Musik machen, aber Deine „Gudrun“ würde Dir genommen. Und wenn du nichts dagegen tust, verlierst Du bald auch das Mikro.

Folgendes ist geschehen und geschieht noch immer: Irgendein kapitalistischer Hornochse ist auf die Idee gekommen, dass Spitäler und andere Gesundheitseinrichtungen rentabel sein müssen. Ich will Dich nicht mit Details langweilen, aber das Resultat sind Sparmassnahmen, die ethisch und moralisch kaum mehr vertretbar sind

Vom Fachkräftemangel hast Du vielleicht schon gehört. Das kommt ab und zu in den Medien. Meist mit der glorreichen Idee, man könnte doch die Flüchtlinge oder das Militär in den Spitälern einsetzen. Es ist nur noch keinem dieser intelligenten Wesen aufgefallen, dass Wir FACHkräfte brauchen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich es nicht sinnvoll finde, Menschen zu dieser Arbeit zu zwingen…

Viele Pflegefachpersonen schmeissen ihren Job hin, weil sie ihn nicht so ausüben können, wie sie es gelernt haben. Andere geben auf, weil sie keine Kraft mehr haben und ihre eigene Gesundheit auf dem Spiel steht. Auch ich war schon kurz davor aufzugeben. Aber wie es so ist mit Berufungen, sie lassen einen einfach nicht los. Mein Beruf wird behindert und über kurz oder lang zerstört werden, wenn sich nichts ändert.

Es liegt nicht an den Spitälern und Gesundheitseinrichtungen selbst. Es liegt an der Politik. In sämtlichen Parteien ist Gesundheitspolitik ein absolutes Stiefkind (oder kannst Du Dich an einen Politiker erinnern, der sich in den letzten Monaten dazu geäussert hat?)

Und hier will ich ansetzen. Ich will der Pflege mein Gesicht und meine Stimme geben. Ich will, dass die Öffentlichkeit weiss, was ich als Pflegehexe erlebe. Dazu nutze ich auch meinen Blog (malevizia.blogspot.ch).

Genauso wie Du bei der Durchsetzungsinitiative nicht schweigen konntest, kann ich nicht einfach schweigend zusehen, wie mein Beruf von der Bildfläche verschwindet.

Du hast mich inspiriert, das zu werden, was ich bin, und es ist mir wichtig, dass Du es weisst.

Ich wünsche Dir gute Gesundheit, sie ist das höchste Gut, das niemand kaufen kann.

In liebe

 

 

Madame Malevizia