Kapitel 13

Bild: Yentl Fasel
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«Sie ist also der Grund, weshalb du Rafe im Meisterkampf zu Brei verarbeitet hast», erkennt Macho. Cael löst seinen Blick von Ila, die bereits nach wenigen Minuten Fahrt eingeschlafen ist. Dem fahrenden Macho wirft er einen warnenden Blick zu. «Es war ein ganz normaler Kampf», behauptet er und fragt sich gleichzeitig, warum er sich eigentlich rechtfertigt. Allerdings ist Macho nicht nur einer der besten Krieger der Black Wolves, er ist auch so etwas wie Caels Bodyguard, wenn er denn mal so etwas braucht. Schon mehrmals hat Macho seinem Alpha den Rücken freigehalten, wenn dies nötig gewesen ist. Und das nicht nur im Ring. Macho ist ihm also irgendwie auch nah. Fast so nah wie Kyle und dessen Bruder Björn. Und gerade Björn ist es, der spöttisch auflacht und sich vom Beifahrersitz zu ihm umdreht. «An dir war noch nie etwas normal. Aber so durchgedreht wie die letzten Wochen, bist du noch nie. Kyle hat tatsächlich Recht gehabt: Eine Frau ist schuld daran.» Während Cael überlegt, ob er seinem Stellvertreter eine reinhauen muss, weil er nicht die Klappe halten konnte, wirft Macho ein: «Aber mal ernsthaft, Alpha, musste es unbedingt die Schwester von diesem Arschloch Dorn sein?» Kyle scheint also doch nicht alles verraten zu haben. Weder Macho noch Björn scheinen zu wissen, dass Cael Ila schon gehabt hat. Und das bereits mehrmals. Eingehend betrachtet Björn die Hexe, die gefesselt und mit verbundenen Augen auf dem Rücksitz liegt. «Für Verwandtschaft kann man nichts. Und hübsch ist sie ja», meint er schließlich. Cael knirscht mit den Zähnen und knurrt: «Ich habe im Ring erklärt, warum ich sie will.» Macho hebt nur die Augenbrauen, was Cael im Innenspiegel wahrnimmt. Björn, der öfter mal nicht weiß, was gut für ihn und seine Gesundheit ist, dreht sich nochmals zu Cael um und erklärt: «Das kannst du den Dark Crow erzählen, aber nicht uns.» In diesem Augenblick bringt Macho die Limousine vor dem Wolfsturm zum Stehen. «Ich wecke sie jetzt auf und wenn ihr nicht das dringende Bedürfnis nach einer Tracht Prügel habt, haltet ihr die Klappe!» Die Worte und sein durchdringender Blick bringen seine Freunde tatsächlich zum Schweigen. Vorsichtig berührt er Ilas Geist. Nur langsam erwacht Ila. Sie ist tatsächlich eingeschlafen. Und sie kann nicht mit Sicherheit sagen, ob Cael diesen Schlaf erzwungen hat. Vielleicht ist sie auch einfach erschöpft gewesen. Sanft streicht Cael ihr übers Haar. Es macht sie rasend, dass er so behutsam mit ihr umgeht, während sie ihm in jeder Hinsicht hilflos ausgeliefert ist. «Wir sind da», informiert er sie. Da geht auch schon die Tür auf, und sie wird aus dem Auto gezogen. Die kühle Nachtluft umfängt sie. Obwohl ihre Augen noch immer verbunden sind, versucht sie sich irgendwie zu orientieren. «Wir sind vor dem Wolfsturm. Wirst du ihn freiwillig betreten?», fragt Cael hinter ihr. Was wird in ihrem Leben jemals wieder freiwillig sein? Doch hier draußen eine Grundsatzdiskussion mit ihm anzufangen, erachtet Ila in ihrer Lage als sinnlos. Obwohl sie gerade das liebend gern tun würde. Doch solange sie Zuschauer haben, wird Cael sich nicht darauf einlassen. So viel ist ihr klar. «Ila, antworte mir! Wirst du aus freien Stücken in den Wolfsturm kommen oder muss ich dich gefesselt und mit verbundenen Augen hineintragen?», fordert Cael. Aus irgendeinem Grund scheint ihm ihre Antwort wichtig zu sein. «Auch wenn ich den Unterschied nicht begreifen kann: Ich möchte selbst hinein gehen. Aber freiwillig kannst du das ja wohl nicht nennen.» Ila ist selbst überrascht, dass sie noch Herrin ihrer Stimme ist. «Für mich gibt es einen Unterschied. Es ist deine Entscheidung, ob du den Wolfsturm voller Clanmitglieder, die dich sehen wollen, als wehrloses Opfer oder als Hexe betrittst, die du noch immer bist», lässt er sie über ihre geistige Verbindung wissen. Tränen schnüren Ila die Kehle zu. «Warum hast du das getan?», fragt sie zurück. «Es war der einzige Weg, dich bei mir zu haben, ohne einen Krieg anzuzetteln. Und nein, dich aufgeben war keine Option», antwortet Cael mit unerbittlicher Stimme. Noch immer nutzt er den telepathischen Pfad, so dass niemand der Umstehenden ihre Unterhaltung mitbekommt. Ila schreit leise auf, als ihr die Handschellen gelöst werden und das Blut in ihren Handgelenken wieder richtig zu zirkulieren beginnt. Auch ihre Fußfesseln verschwinden. Als Letztes nimmt Cael ihr die Augenbinde ab. Geblendet vom Licht der Straßenlaternen blinzelt Ila. Sie betrachtet den riesigen Wolkenkratzer, der Wolfsturm genannt wird. Es ist der Hauptsitz der Black Wolves. Gleichzeitig ist der Wolfsturm Hotel, Trainingszentrum und beherbergt das Aufnahmestudio von Caels Musiklabel Mystic Music. Wenn Ila richtig informiert ist, lebt Cael im Penthouse, welches sich unmittelbar unter dem Dach befindet. Diese Tatsache macht den Wolfsturm auch zu seinem Refugium.

Bild:Shotshop
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«Wir gehen jetzt rein, Ila. Kyle geht vor dir, Macho und ich neben und Björn hinter dir!», befiehlt Cael. «Fliehen ist zwecklos», flüstert er noch in ihrem Geist. Hat der eigentlich das Gefühl, sie sei bescheuert? Sie wird hier quasi von der Elite der Black Wolves eskortiert. Außerdem ist sie an Cael gebunden. Selbst wenn sie abhauen könnte, er würde sie überall finden. «Dein Fluchtinstinkt ist gerade sehr stark, auch wenn dir dein Verstand davon abrät», erklärt er in ihrem Kopf. Na toll, jetzt weiß er noch mehr über sie als sie selbst. Das Ganze ist einfach nur surreal. Es fühlt sich an, als würde sie träumen. Und zwar einen Traum, der sich durch nichts beeinflussen lässt. Sie kann sich nicht einmal befehlen, aufzuwachen. Inzwischen haben sie die Lobby durchquert, Ila kann später nicht beschreiben, wie diese aussieht. Erst im Aufzug kann sie sich soweit sammeln, dass sie die Spiegel und das helle Deckenlicht registriert. Cael zieht sie eng an sich. Sie fühlt seine Wärme und auch seine unglaubliche Kraft. Diese Kraft, die nicht nur körperlich ist. Diese Kraft, die sie und alle um ihn herum mühelos beherrscht. Cael ist mächtiger, als gut für ihn ist. Das ist Ila mit einem Mal klar. Und auch wie wenig sie über ihn weiß. Eigentlich weiß auch sie nur, was alle anderen ebenso wissen. Sie kennt seine Skrupellosigkeit, die er ihr und allen in der Cumbatsidat heute ein weiteres Mal bewiesen hat. Dass er nicht nur ein exzellenter Krieger, sondern auch ein ebenso großer Magier ist, erkennen alle, die ihm jemals gegenüberstehen. Ila läuft es ein weiteres Mal eiskalt den Rücken hinunter, als sie erkennt: Sie hat sich in die Hände dieses Magiers begeben. «Du weißt, dass ich dich will, mehr als alles andere. Du weißt, dass ich alles auf Spiel gesetzt habe, um dich zu bekommen. Du weißt, dass ich der erste und der einzige Magier bin, der dich jemals zum Orgasmus gebracht hat», verdeutlicht er ihr. Ila kann ihm nichts erwidern, denn die Türen öffnen sich und Ila stolpert an seiner Seite hinaus in einen riesigen, hell erleuchteten Saal. Er ist voller Hexen und Zauberer. Alles Black Wolves, die sie anstarren. Ihre Emotionen treffen Ila unvorbereitet und ungefiltert. Da ist beißende Neugier, pochende Schadenfreude, drückende Überheblichkeit und stechender, vernichtender Hass. Ilas Herz beginnt zu hämmern, das Blut rauscht in ihren Ohren und ihre Knie werden weich. Es ist einzig und allein Caels eiserner Griff um ihre Taille, der verhindert, dass Ila zu Boden sinkt. Mit einer Handbewegung bringt Cael die knurrende Menge zum Schweigen. «Damit eines klar ist: Ila hat vor mir kapituliert. Nicht vor den Black Wolves. Keiner von euch fasst sie an! Sie gehört mir! Wer ihr etwas tut, egal wie geringfügig das auch sein mag, ist tot!» Seine Worte sind leise und ruhig gesprochen. Doch der Saal vibriert ob Caels Macht. Und niemand zweifelt daran, dass Cael seine Drohung wahr machen würde. Respekt und Angst kommen zu den anderen Gefühlen hinzu und Ila dreht sich der Magen um. Das ist endgültig zu viel. Vor ihren Augen beginnt es zu flimmern. Sie sieht kaum, wo sie hintritt, als sie diesmal mit Cael allein in den Aufzug steigt. Kraftlos lehnt sie sich gegen seine breite Brust. Die Türen öffnen sich, er hebt sie hoch und trägt sie aus dem Fahrstuhl. Hinein in sein Reich. Ila wehrt sich nicht. Alles in ihr zittert und flattert. Die Schmerzen steigern sich, und als sie auf dem Höhepunkt sind, machen sie einer tiefen alles verschlingenden Leere Platz. Ila kennt sie. Sie ist noch schlimmer als der Schmerz. Sie ist das Nichts. Ila will nicht darin versinken, das erträgt sie nicht. Alles in ihr wehrt sich dagegen. Schon einmal hat sie in diesem Nichts ausharren müssen. Hat weder zurück ins Leben noch zum Licht gehen können, welches sie ganz weit hinten in diesem Nichts erahnte. Noch einmal wird sie das nicht ertragen, ohne den Verstand zu verlieren. Nur eines kann sie jetzt noch retten. Ila zappelt. Heftig genug, dass Cael sie überrascht loslässt. Sie weicht einige Schritte zurück und bringt so etwas Abstand zwischen sich und den Zauberer. «Dolcunté» Ihre Stimme ist nur ein Flüstern. Tatsächlich manifestiert sich ein scharfes Messer in ihrer Hand. «Nein!» Caels gebieterische Stimme hallt in ihrem Kopf. Mit seinem Willen verhindert er, dass Ila sich selbst Schmerz zufügen kann. «Es geht nicht anders. Ich halte das nicht aus.» Schluchzend sinkt Ila zu Boden. Sofort ist Cael bei ihr.

Bild: Yentl Fasel
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«Es geht anders», berichtigt er. Damit erinnert er sie an damals, als Ila in die Demo geraten und voller Schmerz gewesen ist. Da hat er sie zum Orgasmus gebracht und so zurückgeholt. Doch Ila will nicht, dass er sie so anfasst, nicht heute. Sie muss es nicht aussprechen. Cael sieht es in ihrem Geist. Und er akzeptiert es. «Ila, sieh mich an!» Seine Stimme ist leise und behutsam. Er übt keinen Zwang auf sie aus. Wartet einfach, bis sich ihre Lider heben.

Ila blickt in diese absolut faszinierenden silbernen Augen. Gerade jetzt könnte sie darin ertrinken. «Vertrau mir», bittet er in ihrem Geist. Cael hebt sie auf seine Arme, trägt sie zu seinem Bett und setzt sie auf die Bettkannte. Er lässt ihre Kleidung verschwinden, was Ila kurz erzittern lässt. Ängstlich blickt sie zu ihm hoch. «Ich werde dir nicht weh tun.» Seine Stimme scheint ihr geradezu hypnotisch. Nur verschwommen nimmt Ila wahr, wie Cael zu seinem Schrank geht und ein großes weißes Stück Stoff herausholt. Dann kniet er sich vor sie hin. «Du spürst dich kaum mehr. Ich will dir helfen, dass du wieder Kontakt zu deinem Körper hast. Dazu möchte ich dich in diese Seide einwickeln. Dadurch wirst du deine Grenzen wieder wahrnehmen können, die jetzt gerade so verschwommen sind. Du wirst nicht gefesselt sein. Ein Gedanke von dir und der Stoff löst sich. Lässt du mich das für dich tun?» Cael ist zwar in ihrem Geist, aber er übt keinerlei Kontrolle auf sie aus. Was er ihr vorschlägt, könnte funktionieren. Doch auch das wäre eine Art, sich ihm hinzugeben und sie weiß nicht, ob sie das kann. Gerade jetzt, wo Cael sie an seine Seite gezwungen hat und sie selbst nicht mehr so sicher ist, ob sie ihm überhaupt vertrauen kann. «Schwör es. Schwör, dass ich den Stoff von mir lösen kann, wenn ich es will!» Sie muss sich dessen einfach sicher sein. Zärtlich nimmt er ihr Gesicht in seine Hände und sieht ihr fest in die Augen. «Ich schwöre, der Stoff wird sich lösen, wenn du es willst.» Ila hat keine Alternative, also wagt sie es. «Was muss ich tun?», will sie wissen. «Leg dich aufs Bett. Dreh dich auf die Seite, zieh die Knie an den Bauch und halte die Arme so, als würdest du beten.» Ila ist kaum mehr Herrin über ihren eigenen Körper. Jede Bewegung fühlt sich an, als würde sie durch Treibsand waten. Sie ist dankbar, dass Cael ihr dabei hilft. Nachdem er sich vergewissert hat, dass sie bequem liegt, legt er die Seide über sie. So, dass ihr ganzer Körper davon bedeckt ist. «Tegna», spricht er leise. Die Seide bewegt sich langsam über ihren Körper und hüllt sie ganz ein, wie ein Kokon umspinnt sie die Frau. Der Stoff schmiegt sich dicht an sie, er ist fest, engt Ila jedoch nicht ein. Ila spürt wie, ihr Atem ruhiger wird, etwas in ihrem Bauch löst sich. Cael legt sich hinter die vollkommen eingewickelte Ila und schließt sie in seine Arme. Ila spürt seine Wärme. Dunkelheit umhüllt sie. Diese ist jedoch nicht bedrohlich, sie ist auch nicht das Nichts. Sie ist Trost, sie ist Geborgenheit, sie ist dunkle Liebe. Noch ehe Ila die sie überkommende Müdigkeit willkommen heißt, gilt ihr Gedanke ihrem Bruder. Sie weiß, wie hart es für ihn sein muss. Bestimmt gibt er sich selbst die Schuld, dass Ila nun hier ist. Dorn kann nicht wissen, dass er von Anfang an keine Chance gehabt hat. «Schlaf, meine Ila. Lass deinen Bruder seine Kämpfe allein ausfechten.» Caels Worte sind von einem starken mentalen Stoß begleitet, dem Ila sich nicht widersetzen kann. Und aufgrund ihres Zustandes versucht sie es auch nicht mehr. 

Bild: Yentl Fasel
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Sein Schmerz ist tief und vernichtend. Unruhig tigert Fay durch die Katakomben. Fay hat keine Ahnung, wie sie die Nacht nach Ilas Kapitulation durchgestanden hat. Gequält von ihrer eigenen Sorge, ihrer eigenen Trauer um ihre Freundin Ila. Erschüttert über deren Schicksal, wissend, dass es, warum auch immer, so sein muss. Und dann noch sein unsäglicher Schmerz. Erst als alle weg sind, lässt sie ihn zu und sucht nach dem Urheber. Dorn. Diese Erkenntnis ist nicht gerade überraschend. Auch, dass er keine Verbindung zu ihr zulässt, sie systematisch abblockt, entspricht seinem zu erwartenden Verhalten. Warum schmerzt es sie dann? Und warum lässt dieser gottverdammte Schmerz, der eindeutig ihm und nicht ihr gehört, nicht nach? Es sind nicht seine Verletzungen aus dem Kampf, die ihn und damit auch sie quälen. Sie sollte deshalb diese, seine Pein gar nicht fühlen. Fay kennt die Antwort, will aber nicht einmal den Gedanken zulassen. Als eine Schmerzwelle sie geradezu in die Knie zwingt, erkennt sie, dass sie handeln muss. Auch wenn sie damit alles zerstört. Entschlossen stapft Fay zu den Garderoben der Dark Crow. Schnell findet sie auch Dorns Garderobe. Kai und Chris bewachen offenbar die Tür. Als Fay an ihnen vorbei gehen will, halten diese sie zurück. «Du solltest da jetzt nicht rein gehen», warnt Kai. Fay legt die Hand an die Tür. Sie vibriert, vibriert durch die ungezähmte Wut des Kriegers dahinter. «Wenn er so ist, ist er lebensgefährlich. Für jeden», erklärt Chris. Dorn ist offensichtlich dabei, den Schmerz in das einzige Gefühl umzuwandeln, mit dem er umgehen kann: heiße, alles zerstörende Wut. Fay strafft die Schultern und antwortet: «Er wird mir nichts tun.» Zweifelnd blickt Kai auf sie herunter und Chris hebt staunend die Augenbrauen. Sie beide denken dasselbe. Dass sie ebenfalls eine der Hexen ist, die glauben, ihn ändern zu können. Doch keine Hexe wird Dorn, dieses Tier, jemals zähmen. Egal wie gut der Sex mit ihr ist. «Ich bin Empathin, ich kann fühlen, was ihr denkt. Ja, ich ficke mit Dorn und es geht euch einen Scheiß an! Und jetzt geht ihr besser beiseite. Glaubt mir, ich werde Wege finden, da hinein zu kommen.» Beide werden knallrot und gehen von der Tür weg.

Die Betonmauer weist tiefe Löcher auf, seine Handknöchel bluten. Dorn fühlt sie hinter sich, wie sie auf seinen schweißüberströmten Rücken starrt. «Du weißt nicht, was gut für dich ist!», knurrt er mit zusammen gebissenen Zähnen. «Du offenbar auch nicht. Sonst wärst du selbst zu mir gekommen», gibt sie zurück. Ruckartig dreht er sich um und fixiert sie mit seinem Blick. Fay kann die roten Schleier in seinen Augen sehen. «Um was zu tun?», blafft er sie an. Sie bleibt unbeeindruckt. «Dir von mir helfen lassen.» «Ich brauche keine Hilfe», wehrt er ab. Langsam kommt Fay auf ihn zu. «Du hast Schmerzen. Streite es nicht ab, Dorn. Ich fühle sie.» Wutentbrannt packt er sie, dreht sich mit ihr und presst sie an die Wand. «Ich habe dir nicht gesagt, dass du sie fühlen sollst!» Auch er hat erkannt, warum sie seinen Schmerz fühlt. «Es ist aber so», flüstert sie. Dass sie seinen Schmerz fühlt, obwohl er nicht schwer verletzt ist, kann nur eines bedeuten: Zwischen ihnen ist eine Verbindung entstanden, die tiefer ist als die zwischen Verletztem und Heilerin. Es ist die Verbindung zwischen Mann und Frau. «Lass es!», fordert er. «Wie sollte ich das einfach lassen können? Es ist da, ich habe nicht darum gebeten. Entweder, wir lassen uns darauf ein oder das war es», erklärt Fay ruhig. «Was soll das heißen?», will er wissen, obwohl ihm bereits klar ist, was jetzt kommt. xxx[PT1] 

 «Alles oder nichts. Ich will mehr sein als nur die Hexe, die es mit dir treibt. Ich will die Hexe sein, mit der du deine Gefühle teilst. Wie auch immer sie sein mögen. Ich will, dass du bei mir deinen Druck ablässt, wie auch immer der geartet sein mag. Und ja, ich will dich, auch wenn du schwach bist und am Boden liegst. So wie jetzt, wo du gerade deine Schwester verloren hast. Streite nicht ab, dass dich der Gedanke daran fast umbringt, es ist dieser Schmerz, den ich fühle!», schleudert sie ihm entgegen. Ungläubig starrt Dorn die Hexe an. Wie zum Teufel ist das passiert? Niemals wird er eine solche Nähe zulassen. Auch nicht zu ihr. Wenn sie nicht mit dem zufrieden ist, was sie haben, nämlich verdammt guten Sex, war’s das eben. Auf mehr wird er sich nicht einlassen. Mehr würde bedeuten, dass er die Kontrolle aufgibt und das ist absolut unmöglich.

Fay weiß, dass er ihr das, was sie haben will, nicht geben wird. Trotzdem kann sie nicht anders, entweder das oder nichts. Der Himmel weiß, weshalb diese Verbindung entstanden ist. Auch für sie ist Dorn nicht die Art von Magier, den sie sich als ihren Partner vorstellt. Doch ihr Herz ist da offensichtlich anderer Meinung. Und auch eine Hexe kann nichts gegen ihr Herz tun.

Dorn packt ihre Hüften, hebt sie hoch, spreizt ihre Beine Er entledigt sie beide ihrer Kleidung und dringt sogleich in sie ein. Fay stöhnt auf, als sie ihn tief und hart in sich spürt. Auch jetzt ist sie für ihn bereit, das ist sie immer. «Das ist das Einzige, was ich dir geben kann», zischt er ihr ins Ohr. «Dann solltest du es genießen, Mistkerl. Denn es wird das letzte Mal sein!», lässt sie ihn wissen. «So sei es!», blafft er und stößt schnell und hart in sie. Fay schließt die Augen und lässt sich von ihren Empfindungen wegtragen. Bis sie mit einem lauten Schrei über die Klippe der Lust springt. Die Wellen des Orgasmus schlagen über ihr zusammen. Nur mit Mühe kann sie danach die Tränen zurückhalten. Doch sie wird nicht weinen, nicht vor ihm. Sie schafft es, nicht zu zittern, während sie sich wieder vollständig kleidet. Beide schauen sich schweigend an, bis Fay sich aus der Garderobe in ihr Zuhause demanifestiert.

Der zweite Abschied in dieser Nacht. Sie wird auch diesen Schmerz überleben. An Liebeskummer stirbt man nicht. Und die Zeit wird auch die entstandene Verbindung lösen. Hoffentlich.

© by Patricia Tschannen, 2024

 


 

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