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Prolog

Bild: Yentl Fasel
Bild: Yentl Fasel

Es schlägt zwölf. Mitternacht. Geisterstunde. Magische Stunde. Happy Hour im Blue Moon. Menschen stehen dicht an dicht. Viele tanzen, lassen sich fallen in die Musik, die aus den Boxen dröhnt. Freude, Hingabe, Freundschaft, Liebe, Neugier, Begehren, Sex. Die Emotionen füllen den engen Raum, vermischen sich. Eigentlich ist dies kein Ort für eine Frau wie sie. Und doch fühlt sie sich hier geborgen. Die Geräusche, die Lichter, die Menschen und vor allem die Emotionen sind für sie normalerweise zu viel. Aber ihr geht es hier gut, so gut wie schon lange nicht mehr. Die Theke ist zusammen mit der schwarzen Kleidung ihr Schutz. Dies und ihre Konzentration auf das, was sie tut, verhindert, dass die Gefühle sie überwältigen. Ihr kommen nur Menschen nah, die ihr gut gesinnt sind. Menschen, mit denen sie lachen kann, auch wenn gerade sehr viel Stress ist. Menschen, die wissen wer und was sie ist, und sie einfach so nehmen, wie sie ist. Sie liebt diese Nächte. Das hier kann sie, das ist ihr Revier.

Er verlangt von ihr einen Vodka mit Eis. Routiniert stellt sie das Glas vor ihn hin und würdigt den Mann dabei keines Blickes. Blitzschnell packt er ihr Handgelenk. Erschrocken schnappt sie nach Luft, wartet auf den Schmerz, der sie gleich erfassen wird. Nichts geschieht. Da sind nur seine Finger, die sie eisern festhalten. Noch bevor sie sich Gedanken über das Ausbleiben seiner Gefühle in ihrem Körper machen kann, streicht sein Daumen über ihr Handgelenk. Leise murmelt er etwas und Zwang legt sich über sie. «Scheiße!», schießt ihr durch den Kopf, als sie realisiert, wie sie die Kontrolle über sich verliert. «Geh nach draußen!» Seine Stimme ist rau, männlich und sehr hypnotisch. Ilas Körper reagiert sofort auf ihn. Ein Kribbeln, das sich in ihrem Bauch sammelt und dort zu einem Ziehen wird. Ihre Mitte pocht im Takt ihres Herzschlags. Sehnsucht setzt sich in ihrem Geist fest. Die Sehnsucht zu tun, was er ihr gerade befohlen hat. Mit aller Kraft versucht sie, dagegen anzukämpfen, den Zwang zu durchbrechen. Was ihr sofort stechende Kopfschmerzen einbringt. Übelkeit steigt in ihr hoch. Hilflos klammert sie sich an den Tresen. «Gehorche!» Seine Macht übersteigt ihre bei weitem, unaufhaltsam verliert sie die Selbstbeherrschung. Alles in ihr drängt sie, zu tun, was er von ihr verlangt. Ila hat keine Chance. Sie kapituliert, weil sie fürchtet, sonst Aufsehen zu erregen, und das möchte sie auf keinen Fall. Mit einem Handzeichen informiert sie Milo, dass sie Pause macht und schlüpft dann durch die Hintertür.

Im Innenhof ist es dunkel. Die kühle Nachtluft lässt sie schaudern. Er materialisiert sich direkt vor ihr, sie hat gewusst, dass er ihr folgen wird. Mit seinem Körper drängt er sie in die Schatten, bis sie an die Hausmauer stößt. Er steht so dicht vor ihr, dass sie die Hitze seines großen starken Körpers spüren kann. Grob schiebt er seinen Oberschenkel zwischen ihre Beine. Ila stockt der Atem. Diese Empfindung ist ihr so fremd, dass sie instinktiv versucht, sich zu wehren. So viel Nähe wird sie nicht aushalten. Bald schon werden seine Gefühle sie überfluten und ihren Geist überfordern. Nichts davon geschieht. Stattdessen kommt dieses Kribbeln zurück. Ila kann nicht sagen, dass ihr das unangenehm sei. Seine Hände gleiten über ihre schmale Taille hoch zu ihren Brüsten. Er findet ihre Knospen, kneift sie fest. Blitze durchzucken sie, lassen nun auch die Hitze in ihrer Mitte zurückkehren. Sie ist ihr unbekannt, diese Hitze, die schon bald zu einem Brennen wird. Ila entschlüpft ein Stöhnen. «Was…» Ihre Stimme bricht, als er den Druck auf ihre Mitte verstärkt, was diese pulsieren lässt. Ila ist gefangen im Schleier ihrer eigenen Lust und des Zwanges, den er auf sie gelegt hat. «Sieh mich an!», fordert er sie auf und Ila gehorcht sofort. Ihre Augen treffen auf seine. Da erkennt sie ihn. Mandelförmige Augen, dunkles schulterlanges Haar, das in starkem Kontrast zu seinen grauen Augen steht. Sein kantiges Kinn wird von einem Dreitagebart abgemildert. Die Wangenknochen sind hoch angesetzt. Alles in allem ist er eine sehr attraktive Erscheinung. Sie hat ihn noch nie so nah vor sich gesehen. Eigentlich kennt sie ihn nur von Bildern. Vor ihr steht Cael Vandorra. Der größte Feind ihres Bruders, Alpha der Black Wolves. Erschrocken will sie sich gegen ihn zur Wehr setzen und versucht, ihn wegzustoßen. «Was fällt dir ein!», keucht sie aufgebracht. Sie befinden sich auf neutralem Gebiet. Er hat kein Recht, sie hier zu attackieren. «Was kann ich dafür, wenn du mit deinem Sirenengesang alle Zauberer anlockst!» Ila erstarrt. Shit! Sie ist kurz vor dem Eisprung. Daran hätte sie denken sollen. Geschlechtsreife Hexen senden während des Eisprungs immer den Sirenengesang aus. Ein Gesang, nur für Zauberer hörbar, lockend und verheißend. Um diesen Gesang zum Schweigen zu bringen, nehmen geschlechtsreife Hexen einen Kräutertrank. Ihr Eisprung ist aufgrund ihres Gesundheitszustandes die letzten Monate ausgeblieben, weshalb sie nicht auf die Idee gekommen ist, dass so etwas geschehen könnte. Es ist nicht ratsam, seinen Sirenengesang mitten in der Stadt zu verströmen. Außer, die Hexe will wirklich möglichst viel Sex mit möglichst vielen Zauberern. Morgen muss sie dringend zu Fay und den Trank holen. Aber gerade jetzt hat sie ein riesengroßes Problem mit einem Zauberer, der sie mit sengendem Blick fixiert.

 

©by Patricia Tschannen 2024

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Kommentare: 2
  • #1

    Markus (Donnerstag, 01 Februar 2024 20:08)

    Oh mein Gott. Ich kenne ja die Story, aber sie versetzt mich immer wieder in Schnappatmung. Vor allem auch die interessante Sache mit dem Sirenengesang um den Eisprung herum.
    Viel Erfolg mit Deinem Werk!
    Herzlichst
    Markus

  • #2

    Daniela Biegel (Freitag, 02 Februar 2024 00:06)

    Ich liebe deine Geschichte Rund um Ila und Fay. Danke, dass du uns in diese bezaubernde Geschichte entführst!