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Kapitel 5

Bild: Yentl Fasel
Bild: Yentl Fasel

An Halloween steht Ila vor ihrem Spiegel und betrachtet ihre ganz in schwarz gekleidete Gestalt. Schwarz. Farbe oder eben doch nicht. Da scheiden sich die Geister. Es steht für Trauer ebenso wie für Eleganz. Für Ila mit ihrer empathischen Seite bedeutet Schwarz Schutz. In Erwartung der vielen Menschen hat Ila für die Halloween-Party diese Farbe gewählt. Sie trägt ein langes schmales Kleid mit Fledermausärmeln. Den Ausschnitt mit Schnürung findet sie zwar etwas sehr gewagt, gibt er doch den Blick auf ihren Brustansatz frei. Wegen des schimmernden leichten Samtstoffes mag Ila dieses Kleid jedoch sehr. Die langen Haare hat sie zu einem Zopf geflochten, der wie ein Seil ihren Rücken hinunterhängt. Bewundernd schnappt Ila nach Luft, als sie ihre Freundin sieht, die sich soeben in ihrem Wohnzimmer manifestiert hat. Fay trägt ein silberblau glitzerndes Tanktop mit Spaghettiträgern, dazu einen kurzen schwarzen Rock und silberne Highheels. Ihre wilde rote Mähne hat sie hochgesteckt. «Projekt Vogelnest» nennt Fay diese Frisur immer. «Bereit?», fragt sie Ila und ihre Augen blitzen unternehmungslustig, während sie sich ihren dunkelgrünen Mantel überstreift. Ila nickt, schlüpft ebenfalls in ihren Mantel und verlässt mit Fay ihr Zuhause. Draußen ist es kalt und Ila zittert ein wenig. Doch da muss sie jetzt durch, wenn sie nicht die ganze Nacht schwitzen will. Im Garten öffnen die beiden Hexen das Portal, welches sie direkt zur Halle bringen wird, der Ort, an dem die Halloween-Party stattfindet. Kurz bevor sie aus dem Portal heraustreten, lassen sie ihre Mäntel dort zurück. Das ist einer der Vorteile, Hexe zu sein. Höchst selten müssen irgendwelche Kleidungsstücke herumgeschleppt werden. «Bard spielt bereits!» jubelt Fay und zieht Ila mit sich ins Getümmel. Pure Freude erfasst Ila. Bards samtene Stimme, die vorwärtstreibende Musik reißen sie mit. Die Übungen im Layana haben Ila ein besseres Körpergefühl eingebracht, was ihr jetzt zugute kommt. Ausgelassen tanzt sie mit Fay zur Musik. Mit breitem Grinsen kommt Ste zu ihr. Er ist der Produzent, für den sie als Lady Blue arbeitet. Heute ist er einer der Veranstalter der Party und hat sich vor allem um die spielenden Bands gekümmert. «Hey Ila, welch seltener Anblick. Ich fühle mich geehrt.» Ila lächelt verlegen. Sie hat aufgehört, den Leuten zu erklären, warum sie selten ausgeht. Die wenigsten können ihr Erleben nachvollziehen. «Danke für deine Mail. Ich habe dir heute nochmals Anfragen geschickt», schreit er in ihr Ohr. Ila nickt nur zustimmend. «Eine ist von einer sehr ambitionierten Band, Wolfblood heißt sie. Die Tapes sind echt gut. Für ihr Projekt brauchen sie eine Frauenstimme mit breitem Spektrum. Du wärst perfekt.» Ila horcht auf, in ihrem Bauch kribbelt es. Eine Regung, die sie nicht einordnen kann. Wichtig. Für sie. Diese Worte bilden sich in ihrem Kopf. «Leider hat es einen Haken. Die Jungs sind beim falschen Label», seufzt Ste. «Mystic Music», murmelt Ila. Caels Label. Dieser Mann scheint ihr ständig in die Quere zu kommen. Ärger steigt in ihr auf. Wenn dieser verdammte Krieg nicht wäre, könnte sie einfach tun, was sie liebt. Und müsste sich nicht ständig verstecken. Nun gut, ihre Empathie wäre trotzdem da. «Ich werde es mir ansehen. Vielleicht kann ich bei dir aufnehmen», überlegt Ila. Ste nickt zustimmend. «Beim nächsten Song kommen die weiblichen Vocals leider aus der Büchse. Die Sängerin tritt niemals öffentlich auf, nicht einmal wir wissen, wem diese außergewöhnliche Stimme gehört. Wo auch immer du gerade sein magst, danke Lady Blue für diese Line», erklärt Bard, bevor er seine neueste Single «Ligthtfire» anstimmt. Ila lächelt still vor sich hin. Und sendet in Gedanken ein «Es war mir eine Ehre.» Ste tanzt noch kurz mit ihr und verschwindet dann wieder in der Menge. Ila und Fay genießen das Konzert in vollen Zügen, tanzen und singen, respektive schreien mit. Sie halten durch, bis Bard seinen Gig beendet hat und der DJ übernimmt. «Ich hole mal was zu trinken», schlägt Fay vor. Ila gibt ihr zu verstehen, dass sie kurz nach draußen gehen will, um sich wieder zu sammeln. Solange die Band gespielt hat, ist es Ila möglich gewesen, bei sich zu bleiben. Die Musik hat ihr als Anker gedient. Nun dringen die Emotionen anderer wieder ungefiltert in sie ein wie Nadelstiche. Ila merkt die Überreizung auch an dem leichten Flimmern vor den Augen und dem Rauschen in den Ohren. Dies sind für Ila jeweils die ersten Anzeichen, dass es zu viel wird. Reagiert sie nicht darauf, wird bald Übelkeit und Erbrechen folgen. Fay nickt zustimmend, sie weiß, dass Ila ihre Pausen braucht. Und so trennen sich die Freundinnen.

Fay schiebt sich durch das Gedränge. Ihr macht die Menge nichts aus. Anders als Ila kann Fay steuern, ob sie die Gefühle anderer wahrnehmen will. Es ist allen ein Rätsel, warum bei Ila sämtliche Strategien, sich vor fremden Gefühlen zu schützen, versagen. Fay erklärt es sich mit dem immens starken Heilslicht, das Ila hervorrufen kann. Je grösser das Heilslicht, desto grösser auch die Empathie. So gesehen ist Fay dankbar, dass ihre heilerischen Fähigkeiten sich auf ein normales Maß beschränken. Sie muss dem Körperkontakt nicht ausweichen. Die Bar ist am anderen Ende der Halle und wird von vielen belagert. Fay stellt sich an. Während sie wartet, tänzelt sie vor sich hin. Bei guter Musik kann sie nicht einfach stillstehen. Da drängt sich ein großer harter Männerkörper an ihren Rücken, starke Hände umfassen ihre Taille und ziehen sie noch näher heran. Sein Atem in ihrem Nacken lässt sie erschauern. «Ich wusste, dass du da sein würdest.» Fay erkennt ihn sofort und schließt entnervt die Augen. Hinter ihr steht der Mann, der seit Tagen in ihrem Kopf herumgeistert. Der Mann, der sie kaum mehr schlafen lässt. Dorn. «Dorn, du Idiot, lass mich los!», zischt sie und versucht sich aus seinem Griff zu winden. Er legt seine Hände auf ihre Brüste und massiert sie sanft. Ihr wird heiß und sie keucht auf. «Wie du wünscht», flüstert er. Ebenso schnell wie er aufgetaucht ist, verschwindet er wieder. Fay schnaubt verächtlich. Will der Arsch etwa mit ihr spielen? Das kann er haben! Sie ordert Wasser für Ila und schwarzen Wodka für sich. Sie braucht jetzt etwas Stärkeres. Kurz sucht sie den telepathischen Kontakt zu ihrer Freundin, die ihr zu verstehen gibt, dass sie noch etwas Zeit braucht.

Währenddessen schlüpft Ila durch den Notausgang seitlich des Gebäudes. Sie muss nur einige Schritte gehen und schon steht sie am Rand einer Wiese. In der Ferne kann Ila einen kleinen Bach plätschern hören. Obwohl sie die Musik noch wahrnimmt, ist hier draußen Ruhe und Stille. Die Nacht ist klar und kalt. Ila fröstelt leicht. Sie hätte doch den Mantel aus dem Portal holen sollen. Wie eine dunkle Mauer manifestiert er sich hinter ihr, zieht an ihrem Zopf und beißt sie dann in den Nacken. Erschrocken zuckt Ila zusammen. Ihr Herz beginnt zu rasen, als sie den Mann hinter sich erkennt. «Cael...» Sie will ihn fragen, was das soll und ob er eigentlich verrückt geworden sei. Sich hier blicken zu lassen, wo die ganze Halle voller Dark Crow ist. Doch er lässt sie nicht zu Wort kommen.

 

Stattdessen dreht er sie in seinen Armen herum und presst seine hungrigen Lippen auf ihre. Ein sengender, bestrafender Kuss, der sie seine kalte, mühsam beherrsche Wut spüren lässt. Wut? Warum ist er wütend? Und eigentlich ist Wut ein viel zu sanftes Wort, für das, was in Cael tobt. Irritiert wendet Ila sich ab. Wieder packt er ihren Zopf, und zieht daran, bis sie ihm in die zornig funkelnden Augen sieht. «Ich habe es dir gesagt, Ila. Du gehörst mir. Kein anderer rührt dich an!» Einen kurzen Moment blickt Ila ihn verständnislos an. Sie selbst achtet eigentlich darauf, dass niemand sie anfasst. Nicht wegen Caels Drohung, die sie in keiner Weise nachvollziehen kann. Sondern, weil sie die fremden Gefühle fürchtet. Sie will sich schon gegen seine Unterstellung wehren, als Cael in ihrem Geist die Bilder heraufbeschwört, wie sie mit Ste tanzt. Wären die Bilder nicht mit einem blutroten Schleier gefärbt, welcher auf Caels Gefühlszustand hinweist, würde sie laut auflachen. „Er ist ein Freund. Da ist nichts“, sagt sie stattdessen einfach. Was geht das ihn eigentlich an? Sie sind schließlich nicht zusammen. «Ila, was an: Du gehörst mir, hast du nicht verstanden? Ich werde jeden umbringen, der versucht, dich zu kriegen.» Seine Stimme ist leise und tödlich. Ila wird es kalt, bis auf die Knochen. Sie spürt Panik in sich aufsteigen und beginnt zu zittern. 

Bild:Shotshop
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Drinnen hat Fay die Getränke in Empfang genommen und balanciert diese sicher an den Rand der Halle, zu einem der Bartische. Sie sucht sich einen aus, der etwas im Schatten steht. Mit ihrem Geist sucht sie nach Dorn. Gut ausgebildeten Hexen und Zauberern ist es möglich, ihren Geist vom Körper zu trennen. Mit ihrem Geist können sie hören, sehen, fühlen und sprechen. Fay findet Dorn in der Nähe der Bar. Zusammen mit Kriegern der Dark Crow. In deren Dunstkreis macht Fay auch jene Weiber aus, die sie nur die «Bitches of Fighters» nennt. Tief dekolletierte, bis zur Unkenntlichkeit geschminkte, albern kichernde Tussies, die für jeden dieser muskelbepackten Halbstarken die Beine breitmachen. Fay weiß nicht, ob sie die Frauen oder die Männer mehr verachtet. Aber gerade jetzt tut dies nichts zur Sache. Sie lässt ihren Körper ganz los. Dadurch ist sie für alle unsichtbar, ihre Berührungen sind dennoch spürbar. So drängt sie sich an Dorns Rücken, dass er ihre weiblichen Rundungen deutlich spüren kann. Sie fühlt, wie Dorn sich anspannt. Seine Rückenmuskeln werden bretthart. Fay muss zugeben, dass ihr durchaus gefällt, was sie fühlt. Und sie wird neugierig. Wie sich seine Haut wohl anfühlt? Sie zieht sein weißes T-Shirt aus seiner Hose. Warm, rau und darunter harter Stahl. Sie kann nicht widerstehen und lässt ihre Hände über seinen Brustkorb zu seinem Bauch gleiten. Dorn zieht zischend die Luft ein. Er hat sie erkannt, dessen ist Fay sich sicher. An seinem Hosenbund stoppt sie. Er versucht, ihre Hand zu erfassen. Wenn es ihm gelingt, muss sie ihren Körper wieder mit ihrem Geist verbinden. In dieser Situation folgt der Körper immer dem Geist. Aber das lässt sie nicht zu. «Ich will doch nur spielen», flüstert sie und zieht ihren Geist dann blitzschnell in ihren Körper zurück.

Draußen in der Dunkelheit streicht Cael zart über Ilas Gesicht und lässt dann seine Hand an ihrem Nacken ruhen. Es schmerzt ihn ein wenig, dass Ila seinetwegen zittert. Sie muss doch wissen, dass er ihr nie weh tun würde. «Du solltest endlich aufhören, dich gegen mich zu wehren», sagt er sanft. Ungläubig schüttelt Ila den Kopf. Das würde heißen, dass sie sich auf ihn einlässt. Und das wäre der ultimative Verrat am Clan aber vor allem ihrem Bruder gegenüber. «Es wäre einfacher für dich und weniger gefährlich für die, die du deine Freunde nennst», stellt er nüchtern fest. Einfacher. Nichts wäre einfacher! Sie würde alles verlieren. Pure Verzweiflung steigt in ihr auf. Er wird sie niemals in Ruhe lassen. Und sie ihm niemals entkommen. «Richtig erkannt, Krähenmädchen», flüstert er in ihrem Kopf. Da regt sich in Ila Widerstand. Vielleicht ist es, weil sie mit Fay hier ist und vielleicht ist es die Kriegerin in ihr. Auch wenn sie sich nur sehr selten zeigt, ist sie da. In einer Geschwindigkeit und mit einer Kraft, die sie selbst nicht für möglich gehalten hat, stößt sie Cael von sich. Gleichzeitig katapultiert sie ihn vollständig aus ihrem Geist. Sie weiß, dass sie die Verbindung nicht lange wird unterbrechen können, aber für eine Weile. «Lass mich doch einfach in Ruhe!» zischt sie und demanifestiert sich. Tief in ihrem Inneren weiß Ila, dass sie sich in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht hat. Aber das ist ihr gerade jetzt scheißegal. Entschlossen, sich diese Nacht nicht von einem missmutigen Black Wolves nehmen zu lassen, manifestiert sie sich neben ihrer Freundin Fay.

Gerade als Fays Geist wieder vollständig in ihrem Körper ist, kehrt auch Ila zu ihr zurück. Die nächste Band spielt. Es ist dunkle treibende Rockmusik. Beide Frauen schließen die Augen und lassen sich von der Musik davontragen. Wieder fühlt sie zuerst Dorns Atem in ihrem Nacken, bevor er mit seinen Zähnen über Fays Halsschlagader schabt. Natürlich ist auch er dazu fähig, seinen Geist, ohne den Körper wandern zu lassen. Schauer erfassen ihren Körper. «Du spielst mit dem Feuer, kleine Hexe», warnt er sie. Und schon ist sein Geist wieder weg, doch der ihre folgt ihm sofort. «Ich bin Feuer gewohnt», wispert sie in seinem Geist. Kühn fasst sie in ihrer Geistgestalt an seinen Schritt und drückt zu. Seine Erregung überträgt sich auch auf sie. Sanft reibt sie ihn durch seine Hose, bis Dorn leise stöhnt. Wieder zieht sie sich zurück, noch ehe Dorn reagieren kann. «Hexe!» flucht er und bringt Fay so zum Lachen. Ausgelassen bewegt sie sich zur Musik. Auch diese Band beendet ihren Gig. Ila und Fay ziehen sich kurz in den Schatten zurück, um sich zu erholen. Und während sie sich angeregt mit Ila unterhält, fühlt Fay ihn wieder. War ja klar, dass Dorn dies nicht auf sich sitzen lassen würde. Ohne Umschweife versenkt er seinen Finger in ihr. Es kostet Fay alle ihre Selbstbeherrschung, um nicht laut aufzuschreien. Lust überflutet ihren Körper, als er beginnt, ihre Klitoris zu streicheln. Dorn bringt sie nahe an den Höhepunkt und verlässt sie dann. Frustriert seufzt Fay auf. «Mistkerl. Dass Männer auch nie etwas zu Ende bringen können!», schimpft sie ihn aus. Er zieht an einer Locke, die sich aus der Hochsteckfrisur gelöst hat. «Du wolltest ja nur spielen», spottet er.

Die «Green Fairies» erobern die Bühne. Langsame keltisch anmutende Musik. Ein hochgewachsener Mann, ganz in schwarz gekleidet, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, entführt Ila zum Tanz. Sofort macht sich Fay Sorgen um sie, doch als sie den Geist ihrer Freundin berührt, stellt sie fest, dass es Ila in seinen Armen gut geht.

 

Beruhigt zieht Fay sich aus Ilas Geist zurück. Und konzentriert sich wieder auf den Mann, der sie völlig verrückt macht. 

Bild:Shotshop
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Cael ist ihr tatsächlich in die Halle gefolgt. Dieser Kerl ist einfach vollkommen durchgeknallt! Wenn ihn jemand erkennt, passiert eine Katastrophe! Er ist allein unter lauter Dark Crows. Es kostet Ila all ihr magisches Können, ihren Geist vor Fay abzuschirmen. Ihre Freundin darf auf keinen Fall merken, wie sehr sie dieser Mann aus der Fassung bringt. Fay würde alles tun, um sie zu beschützen. Ila ist sich nicht sicher, ob Cael vor Fay, der Ersten Heilerin Halt machen würde, sollte sich diese ihm in den Weg stellen. Ganz abgesehen davon, dass Caels Tarnung dann dahin wäre. Und aus irgendeinem unerklärlichen Grund will Ila nicht, dass ihm etwas passiert. Deshalb zeigt sie Fay nur, wie sie sich in Caels Armen fühlt. Sicher und geborgen. So fühlt Ila sich tatsächlich. Wenn sie alles, was zwischen ihnen steht, außen vor lässt, dann liebt sie es, in seinen Armen zu liegen. Dann mag sie seine körperliche Nähe. Dann ist es perfekt. Doch es kann nicht sein. Frustriert kuschelt Ila sich an den Zauberer. Vielleicht kann sie ja wenigstens diesen Tanz genießen, bevor es wieder kompliziert wird.

Fays Geist findet Dorn an der Bar. Er trinkt und flachst mit den anderen. Die «Bitches of Fighters» haben sich verzogen. Sie werden mit ihren Angebeteten auf der Tanzfläche herumhopsen. Dorns Haut, sie muss sie nochmals spüren und sie will wissen, wie sich sein Schwanz anfühlt. Fay ist sich bewusst, wie weit sie geht, aber sie kann nicht anders. Außerdem berührt sie ihn ja nur über ihren Geist, also ist es eigentlich auch nicht ganz echt, redet sie sich selbst ein. Würde Dorn ihr wahrhaftig gegenüber stehen, würde sie das nämlich niemals tun. Wieder berührt Fay zuerst seinen Rücken, fühlt wie er erschauert, was sie leise lächeln lässt. Dann wandern ihre Hände nach vorne zu seinem flachen Bauch. Deutlich fühlt sie seine definierten Muskeln. Diesmal stoppt sie nicht an seinem Hosenbund, sondern geht weiter. Sie umfasst seinen bereits vollständig erigierten Schwanz. Härte unter Samt. Dorn keucht auf und sie reagiert ebenso. Als sie beginnt, die ganze Länge seines Schwanzes quälend langsam auf und ab zu reiben, krallt er seine Finger in die Bar. «Verdammte Hexe», stöhnt er in ihrem Kopf. Eigentlich könnte Fay jetzt aufhören. Dorn ist schon so dicht davor. Doch sie will nicht. Sie will, dass er kommt. Hier und jetzt durch ihre Hand. Fay fasst härter zu und beschleunigt ihre Bewegungen. Mit der anderen Hand streicht sie über seinen Rücken und lässt ihn ihre Nägel spüren. Sein Atem wird schneller, erwächst zu einem Keuchen. Seine Hüften stoßen in ihre Hand. Mit einem stummen Stöhnen kommt Dorn. Sanft küsst Fay seinen Nacken und zieht dann ihren Geist in ihren Körper zurück. Wieder in der Dunkelheit angekommen, beobachtet sie Ila bei ihrem Tanz mit dem Fremden. Fay findet, dass sie ein hübsches Paar wären, soweit sie das jedenfalls in der Dunkelheit beurteilen kann.

Mit einem lauten Knall in ihrem Kopf, stellt Cael die Verbindung zu Ilas Geist wieder her. Reflexartig wehrt sie sich dagegen. Der Schmerz, der darauf ihren Körper durchzuckt, ist vernichtend. Würde Cael sie nicht festhalten, wäre sie gefallen. «Tu’ das nie wieder!», grollt er. Ila begegnet seinem harten unnachgiebigen Blick. «Ich schwöre dir, wenn du das nochmal machst, werde ich dich binden. Es ist mir scheißegal, wie viele und wen ich dafür töten muss!», zischt er. Diesmal hat er die Verbindung derart gefestigt, dass Ila sie deutlich spürt. Und sie weiß, dass dies ab jetzt immer so sein wird. Besitzergreifend lässt er seine Hände von ihrer Taille zu ihrem Hintern gleiten. «Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Du hast mich gehabt, alles von mir. Was willst du noch?», flüstert sie. Sie kämpft mit den Tränen, weil sie weiß, dass sie gegen ihn immer verlieren wird. Wenn er sie will, kann er sie haben, auch jetzt. Und wenn er sie nicht mehr will, kann er sie fallen lassen. Gegen beides kann sie nichts tun.  Er presst seinen harten Körper an ihren. Was dazu führt, dass Ila seine Erregung deutlich spüren kann. «So ist es immer, wenn ich nur an dich denke. Und ich weiß, dass auch du jetzt gerade wieder nass bist. Gib es zu Ila, dein Körper sehnt sich danach, mich in sich zu spüren.» Ila öffnet den Mund, um es abzustreiten. «Denke gut darüber nach, was du tust! Ich habe kein Problem damit, es dir gleich hier zu beweisen.» Im Wissen, dass er Ernst machen wird, schweigt Ila. «Nachdem ich dich zum ersten Mal besessen habe, will ich dich immer noch mehr. Ich will alles von dir. Immer. Ohne die Verbindung zu deinem Geist drehe ich durch. Keine Ahnung, warum das so ist, aber es ist so.» Es gefällt Cael überhaupt nicht, Ila so viel von sich selbst preis zu geben. Doch tut er es nicht, wird sie sich weiter gegen ihn wehren. Und dies könnte dazu führen, dass er tatsächlich irgendwann deswegen tötet. Cael ist ein Krieger, ein gnadenloser Krieger, aber kein Mörder. Als Ila ihn aus ihrem Geist katapultiert und somit ihre Verbindung unterbrochen hat, ist er fast durchgedreht. Angst, nackte Angst und unsäglicher Seelenschmerz haben ihn erfasst. In diesem Moment ist er bereit gewesen, jedes Wesen umzubringen, dass sich ihm in den Weg stellt. Es hat ihn alle seine Selbstbeherrschung gekostet, es nicht zu tun. Um Ila das begreiflich zu machen, lässt Cael sie einen Bruchteil seiner durchlebten Empfindungen spüren. «Ich verstehe nicht, weshalb ich gerade für dich so fühle. Das Universum scheint einen merkwürdigen Sinn für Humor zu haben. Aber ich bin nicht bereit, dich aufzugeben», erklärt er. Ila sieht in seine silbern schillernden Augen. Er küsst sie. So sanft und zärtlich, wie er es noch nie getan hat. Aber nicht weniger intensiv. Er sagt die Wahrheit, das ist ihr klar. Ila lässt sich gegen ihn sinken. Sie will ihn, sie braucht ihn. Und auch wenn ihr Verstand tausend Argumente liefert, warum es niemals sein darf. Ihre Seele hat sich längst entschieden. «Scheiße!», bricht es aus ihr heraus. «Ja, so kann man es auch nennen», murmelt er. Ila ahnt, dass dies alles verändert. Sie ist bereit sich auf diesen Magier einzulassen, nein, sie hat sich auf ihn eingelassen. Alles, was sie von Cael bis jetzt weiß, ist, dass er äußerst besitzergreifend ist und seine magische Macht die ihre bei weitem übersteigt. Er kann alles mit ihr tun und das wirklich Schlimme daran ist, dass sie bereit ist, es zuzulassen. «Bitte lass mir meine Freiheit. Wenigstens das, was mir noch bleibt», fleht sie. «Das kann ich dir nicht versprechen», sagt er ehrlich. Noch einmal küsst er sie. «Ich will dich, auch heute Nacht. Wirst du dich mir hingeben? Diese und jede darauffolgende Nacht?», flüstert er an ihrem Mund. Ila schließt die Augen. «Du kennst die Antwort», erwidert sie. Cael lässt seine Zunge ihren Hals hinabgleiten. Im Übergang zwischen Hals und Schulter beißt er leicht zu. Schauer rieseln über ihren Körper. «Bis bald», wispert er in ihrem Kopf und demanifestiert sich. Er lässt Ila erregt und verunsichert zurück. Ila hat keine Ahnung, wie es mit ihnen beiden weitergehen wird. Ihr Instinkt sagt ihr jedoch, dass eine hochaufregende Zeit vor ihr steht. Als sie zu Fay zurückkehrt, blickt diese sie zuerst fragend an. «Es ist zu kompliziert und außerdem zu gefährlich, hier darüber zu sprechen», erklärt Ila ihrer Freundin. Diese lächelt verständnisvoll und meint: «Du weißt, ich bin da, wenn du mich brauchst.» Ila nickt nur und ist dankbar, dass Fay nicht weiter nachfragt. Die restliche Nacht sprechen sie nur wenig, tanzen aber umso ausgelassener. Beide Frauen haben irgendwie das Gefühl, dass es für lange Zeit das letzte Mal sein wird, an dem sie so unbeschwert sein können. Nachdem die letzte Band ihren Gig beendet hat, verlassen Ila und Fay die Party und verabschieden sich voneinander. Beide gehen direkt in ihr Zuhause und fallen dort todmüde ins Bett.

 

 ©by Patricia Tschannen 2024

 

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